Paul-Michel Foucault

Eine minimalistische Einführung

15. Oktober in Poitiers. Eltern Paul Foucault und Anne Malapert, Ärztefamilie 1926
1945 Schule am Lycée Henri IV in Paris
1945 École normale supérieure in Paris
Diplom in Philosophie, erster Selbstmordversuch 1948
Diplom in Psychologie 1949
Zweiter Selbstmordversuch 1950
Staatsexamen in Philosophie 1951
Diplom für Psychopathologie. 1952
Vorwort Ludwig Binswangers Traum und Existenz, These Maladie mentale et personnalité 1954
1955 Lektor an Universität Uppsala, Leiter Maison de France
1958 Direktor des Centre francais, Universität Warschau
1959 Direktor des Institut Francais in Hamburg
1960-1966 Professor für Philosophie und Psychologie, Universität Clermont-Ferrand
1960 Beziehung mit Daniel Defert
1961 Promotion Histoire de la folie á l´âge classique in Paris
1965-1968 Gastprofessor Universität in Tunis
Buch Die Ordnung der Dinge 1966
Archäologie des Wissens erscheint 1968
1969-1970 Professor für Philosophie und Gründung des Centre Universitaire expérimental de Vincennes
1970 Professor für Geschichte der Denksysteme am Collège de France
1971 Gründungsmitglied der G.I.P. (Gruppe Gefängnisinformation)
Überwachen und Strafen erscheint 1974
1975 Gastdozent Universität Berkeley, Kalifornien
Der Wille zum Wissen erscheint 1976
Reise nach Japan, Zen-Buddhismus. 1978
Reist Polen, unterstützt Solidarnosc, organisiert Hilfstransporte 1982
F. hält erneut Vorträge in Berkeley 1983


25. Juni, Paris, HIV-Virus


1984

Der Gebrauch der Lüste und Die Sorge um sich erscheinen

Foucault wuchs in einem behüteten Elternhaus als Teil einer privilegierten Gesellschaft auf. Die Eltern waren sehr reich und stammten aus einer langen Reihe Chirurgen in Poitiers in West-Zentralfrankreich. Sein Vater, Dr. Paul Foucault, vertrat alles, was Michel später am bürgerlichen Frankreich hassen würde. Michel erhielt die Musterausbildung der damaligen Oberschicht, er besuchte Eliteeinrichtungen der Jesuiten, war ein Ministrant und seine Eltern hofften, dass er Arzt werden würde.

Aber Michel war nicht ganz wie andere Jungs. Er begann sich selbst zu verletzen und dachte an Selbstmord. An der Universität schmückte er sein Schlafzimmer mit Folterbildern von Goya. Als er 22 Jahre alt war, versuchte er Selbstmord zu begehen und wurde von seinem Vater gegen seinen Willen gezwungen, Frankreichs berühmtesten Psychiater Jean Delay im Hôpital Sainte-Anne in Paris aufzusuchen.

Der Arzt diagnostizierte, dass ein Großteil von Michels Probleme nur darauf zurückzuführen sei, dass er seine Homosexualität und insbesondere sein Interesse an extremem Sadomasochismus von einer zensierten Gesellschaft fernhalten musste. Allmählich trat Foucault in die verborgene Schwulenszene in Frankreich ein, verliebte sich in einen Drogendealer und nahm dann einen Transvestiten auf.

In seinen 20ern lebte er lange Zeit im Ausland, in Schweden, Polen und Deutschland, wo er der Meinung war, dass seine Sexualität weniger eingeschränkt sein würde. Währenddessen stieg Foucault die akademische Leiter in Frankreich hinauf.

Foucault inspirierte sich ursprünglich im Sommer 1953 im Urlaub mit einem Liebhaber in Italien. Er las Nietzsches Buch "Unzeitgemäße Betrachtungen“, in dem Nietzsche argumentierte, Akademiker hätten das Gespür dafür verloren, wie Geschichte gelesen und gelehrt werden sollte. Der einzige Grund, Geschichte zu lesen und zu studieren, bestehe darin, aus den Ideen, Konzepten und Beispielen der Vergangenheit herauszuarbeiten, wie wir in unserer Zeit ein besseres Leben führen könnten.

Dies inspirierte Foucault intellektuell und er beschloss, ein philosophischer Historiker zu werden, jemand, der in die Vergangenheit zurückblicken konnte, aber um die dringenden Probleme seiner Zeit zu lösen.  Acht Jahre später war er bereit, sein erstes Buch zu veröffentlichen: Wahnsinn und Gesellschaft, 1961, welches später als sein erstes Meisterwerk gelten sollte.

In dem Buch argumentierte er, dass die Behandlung von psychisch Erkrankten in der Renaissance weit besser als ihr Ruf gewesen sei. Schliesslich wurden sie damals als „Anders“ und nicht als „Verrückt“ empfunden, mit ihrer eigenen Form von „Weisheit“ und damit die Grenzen der Vernunft aufzeigten. Im Gegensatz hierzu wurde später -und noch in der Gegenwart- die Haltung gegenüber psychisch Erkrankten „medizin-isiert“ und institutionalisiert, sie wurden ihren Familien weggenommen und weggesperrt.

Auch in Foucaults nächstem großen Buch nahm er diese Faden wieder auf: Die Geburt der Klinik, 1963, widmete sich der Medizin im weitesten Sinne. Er kritisierte systematisch den Eindruck die Medizin sei humaner geworden. Zwar gab es Fortschritte mit besseren Medikamenten und Behandlungen, jedoch argumentierte er dass die Medizin insgesamt, und die Mediziner im speziellen die Patienten nur mit einem „medizinischen Blick“ betrachtete: ”Dies bezeichnet eine entmenschlichende Haltung, die einen Patienten nur als eine Reihe von Organen ansah, nicht als eine Person. Jemand sei unter diesem medizinischen Blick lediglich eine gestörte Niere oder Leber, keine Person, die als Ganzes betrachtet werden sollte“.

Foucaults neuer Fokus wurde in seinem nächsten Buch beschrieben: Überwachen und Strafe, 1975. In diesem vertrat Foucault seine eigene Meinung zur staatlichen Bestrafung. Er verwarf die Ansicht, das Gefängnis- und Strafsystem der modernen Welt sei humaner geworden im Vergleich zu den Zeiten als Menschen noch auf öffentlichen Plätzen aufgehängt wurden.

Seine Position war, dass Macht und Strafen nur freundlicher aussehen, aber dadurch nicht gut seien.  Früher konnte der Sträfling aufgrund der Hinrichtung zu einem Mittelpunkt der Sympathie und Bewunderung werden, während der Henker, nicht der Erhängte, zum Sinnbild der Schande werden konnte – und damit offene Rebellion und Protest in der Gesellschaft fördern könnte. Die Erfindung der modernen Gefängnisse bringe nun jedoch alles hinter verschlossenen Toren, man könne die Staatsmacht nicht mehr sehen und daher sich ihr nicht entgegensetzen Das hab das moderne Bestrafungssystem in Foucaults Augen erst richtig so barbarisch und primitiv gemacht.

Foucaults letzte Arbeit bestand aus mehreren Bänden, die aufgrund seines exzessiven Drogenkonsums nur langsam vorrankamen: Die Geschichte der Sexualität wurde zwischen 1976 und 1984 geschrieben, und mehrmals umgeworfen und verändert. Auch hier verwarf er in einem von vorherigen Arbeiten vertrauten Muster die verbreitete Ansicht, dass die Gesellschaft jetzt befreit sind und sich mit Sexualität wohl fühle.

Er argumentierte, die Sexualität und Sex als Akt sei seit dem 18. Jahrhundert unermüdlich von professionellen Sexualforschern und Wissenschaftlern institutionalisiert wurde, es sei heute eine Zeit die er "Scientia Sexualis" nannte - Wissenschaft der Sexualität.

Foucault blickte nostalgisch auf die Kulturen Roms, Chinas und Japans zurück, in denen er eine „Ars Erotica“, also „erotische Kunst“ entdeckte – mit dem einzigen Sinn, das Vergnügen am Sex zu steigern, anstatt ihn nur zu verstehen und zu beschriften. Wieder warf er der Moderne vor, mit den angeblichen Fortschritten sei die Spontaneität und Vorstellungskraft verloren gegangen.

Foucault schrieb an dem letzten Band dieser Arbeit, als er 1984 im Alter von 58 Jahren an AIDS starb.

Foucault verbrachte seine Karriere damit, die Macht des bürgerlichen und kapitalistischen Staates, einschließlich der Polizei, Gerichte, Gefängnisse, Ärzte und Psychiater zu kritisieren. Sein Ziel war es, nichts weniger als die Funktionsweise der Macht herauszufinden und sie dann in Richtung einer marxistisch-anarchistischen Utopie zu ändern.

Obwohl er den größten Teil seines Lebens in Bibliotheken und Seminarräumen verbrachte, war er eine engagierte revolutionäre Persönlichkeit, die in den elitären intellektuellen Kreisen von Paris auf enorme Popularität stieß, ebenfalls unter jungen Studenten, die an der Universität studieren.

Foucaults nachhaltiger Beitrag ist die Art und Weise, wie wir die Geschichte betrachten.

In der modernen Welt gibt es vieles, das wir als großartig und fantastisch annehmen – im Vergleich zur Vergangenheit, in der sie angeblich schlechter waren.

Foucault ermutigt uns, uns von dieser optimistischen Selbstgefälligkeit zu lösen, wir sollen die guten Dinge in den früheren Zeiten suchen, sehen und begreifen – und versuchen sie in der Gegenwart noch zu verbessern. Jedoch ist Foucault kein Nostalgiker, er wollte, dass wir die gelernten Lektionen aus der Vergangenheit aufgreifen, um unser heutiges Leben zu verbessern.

Foucault kümmerte sich dabei nicht um eine absolute historische Genauigkeit. Die Geschichte war für ihn nur ein Fundort guter Ideen, und er wollte sie nutzen, anstatt sie makellos und unberührt in den Geschichtsbüchern zu bewahren.

Foucaults Werke sollte man als eine Inspiration begreifen: Die vorherrschenden Ideen und Institutionen unserer Zeit mit Abstand betrachten - und sie mit Sicht auf ihre Vergangenheit und Entwicklungen zu hinterfragen.

Präsentation herunterladen:    Audio:           Sophia Horn Barajas, 2020